Auszüge aus dem Buch Schach in Württemberg von Eberhard Herter. Das Buch ist auch mit freundlicher Genehmigung des Verlags und des Autors zum Download verfügbar.
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Der Tübinger Springer
 Auch die frühe Schachliteratur ist eng mit Tübingen verknüpft. So hat der Ver-
fasser des ersten gedruckten Schachbuchs in deutscher Sprache, der sich vor 
hat, 
allem als Genealoge Kaiser Maximilians  1.  einen Namen gemacht 
 in Tübingen studiert. Es handelt sich um den vermutlich aus Bregenz stammenden Dr. 
Jacob Mennel (1460 - 1526), der sich während seiner Tübirrger Zeit von 1477 - 
1484 hauptsächlich mit der Philosophie bei dem damals hochberühmten Ge-
lehrten Johann Nauclerus befaßt hat. Daneben muss Mennel aber auch mit 
Leidenschaft das Schachspiel betrieben haben. Als er erfahren hatte, dass Maximi-
lian I. „ ...  zur  Erholung seines von Sorgen bedrückten Geistes Schach spiele ... ", 
übersandte er ihm im Jahre 1498  eine  Abhandlung über die Frage, ob das 
Schachspiel nach kirchlichem und bürgerlichem Rechte erlaubt sei, wobei er 
darauf hinwies, dass das Schachspiel kein Zufall oder Glücksspiel sei, sondern 
allein vom menschlichen Intellekt beherrscht, also anerkennenswert sei. Vor 
allem aber verfaßte Mennel das 590 Zeilen umfassende und im Jahre 1507 in 
Konstanz bei Hans Schäffeler gedruckte sog. Schachzabelbuch, dessen Grund-
lage eine Bearbeitung der berühmten Schachpredigt des Dominikanerpaters 
Jacobus de Cessolis aus dem Hochmittelalter durch den Schweizer Konrad von 
Ammenhausen war. Frühere Schachhistoriker haben den Vorwurf erhoben, das 
Schachzabelbuch Mennels sei, da kritiklos aus Vorveröffentlichungen über-
nommen, letztlich nur ein Plagiat. Demgegenüber hat Petzold jüngst überzeu-
gend nachgewiesen, dass dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt ist, da Mennel die 
von ihm gefundenen und verwerteten Dokumente sehr wohl interpretiert hat und 
zu gewichten wußte. Obwohl das Schachzabelbuch  noch  ganz im alten  
Stil, also 
mit der kurzschrittigen, nur diagonal ziehenden Königin und den schwachen, 
schräg springenden Vorgängern der heutigen Läufer geschrieben war, fand es in 
der Folgezeit wie seine verschiedenen Nachdrucke zeigen,  offenkundigen  An-
klang. Der „Tübinger" Jacob Mennel, seiner beiden Doktorentitel wegen allge-
mein der Doktor Mennel genannt, kann  deshalb 
 als 
 wichtiger Schachbuchver-
fasser am Ausgang des Mittelalters bezeichnet werden. 
Einhundert Jahre später, im Jahre 1616, erschien in Leipzig unter dem Pseudo-
nym „Gustavus Selenus" ein umfangreiches deutschsprachiges Schachbuch 
unter dem Titel „Schach- oder König  
-Spiel",  das  i m Deutschland des beginnen-
den 17.  Jahrhunderts  keine vergleichbaren Vorgänger hatte. Verfasser dieses 
nach jahrelangen Vorbereitungen unter Verwendung aller zugänglichen Quellen 
herausgegebenen Schachbuchs war kein geringerer als Herzog August zu 
Braunschweig und Lüneburg (1579-1666), ein vielseitiger, bedeutender und 
berühmter Sammler, Fürst und Gelehrter, der  auch  einige  Jahre  seines Lebens in 
Tübingen verbracht hat. Das Interesse Herzog Augusts am Schachspiel  reicht  
weit in seine Jugend zurück. Auf seinen Bildungsreisen beschrieb er als Inven-
tar fürstlicher oder königlicher Kunstkammern wiederholt auffallende Schach-
bretter oder -figuren, von denen er auch selbst welche besaß. Es liegt daher auf 
der Hand, dass der Herzog auch während  
seiner Tübinger Studienjahre (1595 - 
1598) das Schachspiel nie vernachlässigt hat. Frühe Kupferstiche von ihm als 
Schachspieler, nach denen das berühmte Portrait von ihm beim Schachspiel auf 
S. 216/217 des „Selenus" gestochen sein  dürfte, und  seine eigene Aussage in 
einem Brief an Kaiser Ferdinand II. aus dem Jahre 1624 sprechen jedoch für 
sich: „Ich habe in meinem otio, das mir der Allmechtige uber mein sortem 
bescheret, gleichwol so ocios nicht seyn wollen, dass ich etliche Zeiten, nicht 
hin wieder den humanioribus tribuiret". Kleine Auszüge aus Herzog Augusts 
seltenem und dennoch alsbald berühmt gewordenem Schachbuch, in dem erst-
mals in deutscher Sprache nicht nur mit großer Ausführlichkeit über die Ge-
schichte und Gesetze, sondern auch über die Praxis des Schachspiels berichtet 
wird, wurden im 17. und 1 8. Jahrhundert mit zumeist glorifizierenden Vorreden 
an Gustavus Selenus oft gedruckt. Sie zeigen auf, welch großen Einfluß Herzog 
August, der zeitweilig auch Ehrenrektor der Tübinger Universität war, mit sei-
nem verdienstvollen Werk auf die Verbreitung des Schachspiels in der Folgezeit 
ausübte. 
Für die folgenden Jahrhunderte liegen uns keine schriftlichen Zeugnisse über 
das Schachspiel in Tübingen vor. Gleichwohl dürfte es sich dort in  Adelskrei- 
sen, fosbesondere in dem in einer Art Ritterakademie ausgebauten Collegium 
Illustre, in der gehobenen Bürgerschicht und in akademisch studentischen Krei-
sen nach wie vor großer Beliebtheit erfreut haben. 
Als sich im 19. Jahrhundert die Schachspieler in Deutschland mehr und mehr 
organisierten, ging diese Welle auch nicht an Tübingen vorbei. Am 6. Mai 1  
870 
wurde der „Akademische Schachverein Tübingen" gegründet, der sich einer-
seits kaum von den anderen Burschenschaften unterschied, andererseits aber 
auch in der „Restauration zum Hades" dem Schachspiel huldigte, dotierte 
Schachturniere austrug, Übungsabende abhielt und „Korrespondenzpartien" mit 
anderen akademischen Schachvereinen in Berlin, München und Gießen veran-
staltete. Obwohl der Verein wenige Jahre später dem 1 877 gegründeten Allge-
meinen Deutschen Schachbund beitrat, pflegten die Studenten in der Folgezeit 
das königliche Spiel in erster Linie unter sich, bis sich der Verein nach dem 
Ersten Weltkrieg, nunmehr als „Schachverein Tübingen" firmierend, der Tübin-
ger Bürgerschaft öffnete und ab diesem Zeitpunkt allen Bevölkerungsschichten 
zugänglich war. 
Tübinger Beiträge zum Thema Schach 
In dieser von Dr. Hans Ellinger herausgegebenen Buchreihe sind bis jetzt die in 
[108] aufgeführten fünf Bände erschienen. 


(Auszug aus dem Buch von Eberhard Herter)

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